Stereotypen sind im Recruitment stets präsent. Die meisten von uns haben wohl viele negative Meinungen zur Einstellung sog. Job-Hopper, aktuell Arbeitsloser oder Personen mit zu großer Erfahrung gehört. Der Lebenslauf solcher Kandidaten wird im Großteil der Fälle ohne größere Überlegung außer Acht gelassen. Sie werden nicht einmal für ein kurzes Telefongespräch in Betracht gezogen.
Der Arbeitsmarkt ändert sich so schnell, dass man sich die Frage stellen muss: ist eine solche Denkweise berechtigt, oder klingt sie wie eine bis zum Umfallen gespielte Kassette aus den Achtzigern? Stereotypen im Recruitment sind für viele Menschen außerordentlich verletzend, deshalb sollte man ihre Rechtfertigung überdenken.
Stereotypen im Recruitment – Job-Hopper
Der auf Deutsch freundlich klingende Ausdruck des „Hüpfers“ bezeichnet eine Person, die es in relativ kurzer Zeit geschafft hat, die Arbeit mehrere oder sogar ein gutes Dutzend Male zu wechseln. Die maximale Zeit, die diese Person bei einem Arbeitgeber bleibt, ist etwa ein Jahr. Sie ist, die vor allem von Stereotypen im Recruitment betroffen ist. Das „Hüpfen“ von einer Arbeit zur nächsten kommt vor allem zu Beginn der Karriere vor. Dann sind Menschen noch nicht ganz sicher, womit sie sich im Leben befassen möchten, und beschließen, vor der Entscheidung einige Optionen auszuprobieren.
Job-Hopper werden von den meisten Recruitern in sehr negativem Licht gesehen. Die wichtigsten Vorwürfe sind das „Nase-Rümpfen“, Jobwechsel aus trivialen Gründen und der Mangel an jeglicher Motivation, um irgendwo länger zu bleiben. Wir können nicht leugnen, dass solche Personen vorkommen.
Um damit zu beginnen, Job-Hopping positiver zu sehen und Vorurteile loszuwerden, sollten wir uns der Tatsache bewusst werden, dass dieser „Trend“ immer beliebter wird. Es war früher Norm, dass Menschen den Großteil ihres Lebens an einem Arbeitsplatz arbeiteten. Heutzutage können wir uns so etwas eher kaum vorstellen. Ständige wirtschaftliche und technologische Veränderungen zwingen uns in einer gewissen Weise dazu, nicht an der Stelle zu bleiben und neue Entwicklungschancen zu suchen. Das wiederum wirkt sich auch auf Entscheidungen in Verbindung mit der Arbeit aus.
Arbeitswechsel
Wir glauben jedoch immer noch, dass – wenn jemand einige Monate in einer Firma gearbeitet hat und dann den Job wechselt, er kein guter Mitarbeiter ist. Wir denken darüber hinaus, er würde der Firma nur Schäden bringen. Die in seine Einschulung investierte Zeit und Geld überwiegen über die aus seiner Einstellung folgenden Vorteile. Die Außerachtlassung von jemandem, der die Arbeit häufig gewechselt hat, kann bedeuten, dass wir viele enorme Talente verlieren. Dem Anschein zum Trotz kann ein Job-Hopper eine außerordentlich ambitionierte Person sein. Er gibt alles und braucht ständig neue Herausforderungen, um seine Kompetenzen so gut wie möglich zu nutzen. Ein solcher Mitarbeiter kann und wird den Platz in der Firma nicht zu lange warm halten, dafür aber zu vielen Erfolgen beitragen. Wenn wir jedoch imstande sein werden, ihn ständig zu engagieren und ihm neue Gelegenheiten zur Entwicklung zu bieten, wird er keinen Grund haben, sich nach etwas Neuem umzusehen.
Wir müssen verstehen, dass wir – solange wir mit dem Job-Hopper nicht direkt gesprochen haben – nicht erfahren werden, was der Grund für den häufigen Arbeitswechsel ist. Es ist schwer, eindeutig festzulegen, was sich auf berufliche Entscheidungen ausgerechnet bei diesem Menschen auswirkt. Wenn wir während des Gesprächs bemerken, dass der Kandidat nur negative Sachen über seine vorherige Arbeit und Arbeitgeber erzählt, ist er wahrscheinlich der Typ Job-Hopper, den wir vermeiden möchten.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass nicht jeder aus eigener Wahl den Job wechselt. Dies konnte durch von ihm unabhängige Ursachen bedingt sein. Er kündigte aufgrund des Abschlusses eines Projekts, Budgetkürzungen, Übernahme der Firma durch eine andere Gesellschaft oder fehlende Möglichkeiten jeglicher beruflicher Entwicklung. Das Leben schreibt schließlich unterschiedlichste Geschichten und zwingt uns dazu, verschiedene, manchmal sehr schwierige Entscheidungen zu treffen. Es steht nicht fest, dass der Job-Hopper ein schlechter Mitarbeiter sein muss. Deshalb sollten wir Menschen nicht außer Acht lassen, ohne ein Gespräch mit ihnen zu führen und Tatsachen zu ermitteln. Wichtiger als das Beschäftigungsdatum ist das, was der Kandidat in dieser Zeit erreicht hat.
Arbeitslose
Befassen wir uns mit einem weiteren Stereotypen in der Branche, also Personen, die aktiv auf Arbeitssuche sind. Der Logik zum Trotz werden Recruiter bei der Auswahl der richtigen Kandidaten für die jeweilige Stelle, passive Kandidaten, also solche, die bereits Arbeit haben, bevorzugen. Warum ist das so? Die Erklärung liegt in der Vergangenheit. Vor einigen Jahrzehnten, als die Weltwirtschaft und Industrie sich dynamisch entwickelten, war jedes Paar Hände zur Arbeit nötig. Wenn jemand keine Arbeit finden konnte, bedeutete das, dass er nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügt, faul ist, keine Motivation zur Arbeit hat. Man befand einfach, dass mit einer Person „etwas nicht in Ordnung“ sei. Deshalb begann man, sich auf jene passiven Kandidaten zu konzentrieren, im Glauben sie wären wesentliche bessere Mitarbeiter. Sie haben schließlich bereits eine Arbeit, müssen also entsprechende Qualifikationen und Erfahrung haben, deshalb wird ihre Beschäftigung der sicherste Weg sein.
Fehlende Arbeit vs. Beschäftigung
Eine solche Überzeugung ist leider bis heute geblieben. Ähnlich wie im Fall der Job-Hopper ist der Mangel an Arbeit nicht immer das Ergebnis unserer Entscheidungen. Heute suchen viele erfahrene Menschen aus unterschiedlichen Branchen, die sich nicht aus eigenem Verschulden in dieser Lage wiedergefunden haben, nach Arbeit. In Wahrheit ist in der heutigen Zeit, in der immer mehr Berufe langsam automatisiert werden (Robotic Process Automation, künstliche Intelligenz), niemand ganz sicher.
Ein Argument für die Einstellung aktuell arbeitsloser Menschen ist mit Sicherheit, dass keine Kündigungsfrist für sie gilt und sie praktisch sofort anfangen können. Sie sind sehr entschieden für Arbeit, und wenn sie diese bekommen, sind sie dankbar und können sich als loyaler herausstellen. Sie werden sich auch eher nicht über das Gehalt beschweren. Mit Sicherheit werden sie nach keinem Gegenangebot und besseren Bedingungen bei ihrem aktuellen Arbeitgeber suchen. Anders ausgedrückt, neben geringen Unvollkommenheiten (wie z. B. der Bedarf einer kleinen „Nachschulung“ mancher, einige Zeit lang nicht benutzer Kompetenzen), sind Arbeitslose ideale Kandidaten für viele Stellen.
Man darf nicht vergessen: der Arbeitsmarkt verändert sich sehr dynamisch, und man weiß nie, was ein passiver Kandidat aktiv werden kann. Bedeutet das, dass er von einem Tag auf den nächsten zu einer weniger geeigneten Person für die Stelle wird? Die Logik sagt uns klar und deutlich – nein, die Recruitment-Branche behauptet jedoch immer noch stur, dass dem so ist.
Kandidaten mit zu großer Erfahrung
Das ist eine Kategorie von Kandidaten, die laufend zu Kontroversen und Diskussionen führt. Wir wollten uns hier nicht der Sache der Diskriminierung aufgrund des Alters annehmen, da das in Wahrheit ein Thema für einen eigenen Artikel ist. Wir sprechen hier eher von Personen, deren berufliche Qualifikationen die Anforderungen an die jeweilige Stelle übersteigen.
Es mag scheinen, dass die Beschäftigung von jemandem, der größere Erfahrung hat, als nötig, ein hervorragender Schritt sein wird. Leider ist dem sehr häufig nicht so. Firmen haben Angst davor, Personen mit zu großer Erfahrung einzustellen, und das aus mehreren Gründen. Erstens: die finanziellen Erwartungen, die das für die jeweilige Stelle vorgesehene Budget wesentlich überschreiten können. Zweitens: sehr erfahrene Kandidaten können eine Gefahr für die aktuellen Mitarbeiter oder sogar Manager darstellen. Und schließlich: solche Personen könnten Probleme bei der Anpassung ans Team haben. Selbst ihr Management kann sich als schwierig erweisen, da sie finden könnten, dass sie es aufgrund ihrer Berufserfahrung besser wissen. Viertens: es besteht immer das Risiko, dass eine erfahrene Person weggeht, sobald sie eine andere, angemessenere Arbeit findet. Ein guter Headhunter berücksichtigt alle genannten Faktoren.
Erfahrung vs. Frische
Andererseits ist ein erfahrener Kandidat selbstbewusster als ein „Frischling“. Er kann sehr viel in das Team einbringen: andere Möglichkeiten der Problemlösung vorzeigen, Aspekte der Arbeit aufzeigen, die zuvor nicht erkannt wurden. Er wird zu einer gewissen Art von Mentor für die jüngeren Kollegen und lehrt sie neue Kompetenzen. Er wird auch keine Angst vor der Übernahme der Initiative und dem Eingehen eines gewissen Risikos haben. Motivierte Mitarbeiter, die gewisse Aufgaben bereits zuvor beherrscht haben, werden nach neuen Arten suchen, um diese besser, schneller und günstiger auszuführen. Das ist eine wahre Herausforderung für sie!
Im Großteil der Fälle bewerben sich erfahrene Personen für weniger fortgeschrittene Stellen aus Zwang, und nicht weil sie das wollen. Manchmal zwingt die Lage sie dazu, ihre finanziellen Erwartungen zu senken, um überhaupt eine Arbeit zu bekommen. Zweifellos ist zu verstehen, was die jeweilige Person zur Bewerbung für eine niedrigere Stelle mit einem geringeren Pflichtenumfang geführt hat. Wir dürfen nicht sofort annehmen, dass es keine Chance gibt, dass sie im Budget Platz findet.
Stereotypen in der Arbeit – kommen sie auch bei Ihnen vor?
Werte Kandidaten, ist es vorgekommen, dass Sie den Eindruck hatten, der Recruiter würde Sie von oben herab behandeln, und Ihr langer Lebenslauf sei ungerecht bewertet worden, nur deshalb, weil Sie zu einer der genannten Gruppen gehören?
Und, richten Sie sich als Recruiter, trotz der Verfolgung der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, immer noch nach ungeschriebenen Regeln und lassen vielversprechende Kandidaten außer Acht? Haben Sie die von uns genannten Stereotypen im Recruitment bemerkt?
Wir laden zur Diskussion ein.